Donnerstag, 31. Oktober 2013

Im Weltraum hört dich niemand schmalzen

Missionsspezialistin Dr. Ryan Stone ist zum ersten Mal im All, um Reparaturarbeiten am Hubble-Teleskop vorzunehmen. Begleitet wird sie beim Außeneinsatz von Sharrif und dem alten Haudegen Matt Kowalski, der Country hört und bei seinem letzten Auftrag gerne Anatoli Solowjevs Rekord im Weltraumspaziergang überbieten möchte. Als Houston ihnen mitteilt, dass ein russischer Satellit zerstört wurde, besteht zunächst kein Grund zur Beunruhigung, da die Umlaufbahn der Trümmerteile sich nicht mit der des Teams überkreuzt. Die Kollision setzt jedoch eine tödliche Kettenreaktion in Gang, nach der Stone und Kowalski ums Überleben kämpfen - und der Kontakt zur Kommandozentrale ist abgerissen.

Alfonso Cuaróns Thrillerdrama gilt als großer Favorit für die nächste Oscar-Verleihung, und in vielerlei Hinsicht macht das auch Sinn: Sandra Bullock liefert als driftende Astronautin eine ganz starke One Man Show (oder vielleicht besser One Woman Show) ab, während George Clooney in dem bisschen Screentime, das er bekommt, unterfordert bleibt.
Die Tricks, daran gibt es nichts zu rütteln, sind phänomenal. Es ist fraglich, ob schon einmal ein Film den Weltraum so überzeugend dargestellt hat. Die beinahe unvergleichliche visuelle Wucht ist die größte Stärke des Films und fast schon den Kinobesuch wert. Die bestürzende Leere des Raums war wohl noch nie zuvor so beklemmend. Ebenfalls bemerkenswert sind die videospielhaften Sequenzen, in denen wir das Geschehen aus Stones Perspektive sehen.
Auch die Soundkulisse ist brillant: gleich zu Beginn steigert sich die Musik in eine ohrenbetäubend laute Dissonanz, ehe der Schnitt in die völlige Stille des Alls erfolgt. Clever! Dieses Spiel mit laut und leise kehrt an einigen Stellen wieder und betont die dichte Atmosphäre.
Steven Price' Musik dagegen ist mal von ätherisch-schwebender Schönheit, mal der stereotyp-anonyme Orchesterpomp. In ihren besten Momenten sorgt sie aber für die ein oder andere Gänsehaut und ist wahrhaft oscarreif.

Soweit, so nachvollziehbar, dass fast alle Kritiker in kollektive Euphorie ob Cuaróns angeblichem Meisterstück verfielen. Aber ach, es gibt doch auch einiges zu bemängeln.

So stellt sich spätestens, wenn Fräulein Stone mit tränenerstickter Stimme von der schlimmen Tragödie in ihrem Leben erzählt, ein gewisses "Och nö"-Gefühl ein, und man ahnt bereits, das wird nicht das letzte Mal im Laufe des Abends gewesen sein. Hier macht Cuarón Zugeständnisse an gängige Hollywood-Konventionen, denen zufolge offenbar jeder Protagonist irgendein Trauma erlebt haben muss. Die Frage ist nur: warum? Diese aufgesetzten Momente sollen berühren, wirken aber nur arg holprig-schnulzig und bisweilen gar unfreiwillig komisch, etwa wenn Stone einen bekloppten grönländischen Hobbyfunker bittet, er solle doch für sie beten, denn sie selbst habe das nie gelernt (inklusive schwerelos über die Leinwand wabernder Tränen).
Muss das denn sein? So ein Kitsch schadet nur der Glaubwürdigkeit des Films. Die Tragweite der Geschichte hätte auch so ausgereicht.

Letztendlich liegt der Grund für meine Enttäuschung aber wahrscheinlich bei mir: ich kam in der Erwartung eines psychologisch intensiven Kammerspiels, ich bekam nach den ersten zwanzig Minuten knalliges Popcorn-Kino mit Thrill-Garantie. Daran ist zunächst nichts auszusetzen, aber es ist auch nicht so revolutionär, wie man ob der allgemeinen Begeisterung meinen könnte. Weltraumdramas gab's schon früher, wenn auch keine so nett anzusehenden. Aber die Story hält die Spannung tatsächlich konstant hoch, auch wenn so viele unglückliche Zufälle, wie sie Dr. Stone widerfahren, fast schon wieder zum Lachen anregen.
Dennoch: an vielen Stellen wirkt der Film oberflächlich, seltsam hohl, irgendwie unfertig. Und hat in dieser Hinsicht Einiges mit dem Weltall selbst gemein: das ist auch recht hübsch, aber anfangen kann man damit wenig.

Von mir gibt es aufgrund der tatsächlich überwältigenden Optik und der - objektiv betrachtet - allgemein souveränen Ausführung 7 von 10 Punkten.

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