Mittwoch, 26. September 2012

Der literarische Mittwoch - feat. Peter Altenberg

Peter Altenberg - Und endlich stirbt die Sehnsucht doch

Und endlich stirbt die Sehnsucht doch ---
wie Blüthen sterben im Kellerloch,
die ewig auf ein bisschen Sonne warten.
Wie Thiere sterben, die man lieblos hält,
und alles Unbetreute in der Welt!
Man denkt nicht mehr; »Wo wird sie sein –?!?«
Ruhig erwacht man, ruhig schläft man ein.
Wie in verwehte Jugendtage blickst Du zurück,
und irgendeiner sagt Dir weise: »S' ist Dein Glück!« 
Da denkt man, dass es vielleicht wirklich so ist,
wundert sich still, dass man doch nicht froh ist!



Peter Altenberg - gebürtig Richard Engländer - hat seinen Ruhm eigentlich dem großen Karl Kraus zu verdanken, ohne dessen Ansporn er seine Werke vermutlich nie veröffentlicht hätte.
Altenberg, der aus gesundheitlichen Gründen nie einer geregelten Arbeit nachging, verbrachte die meiste Zeit in Wiens Kaffeehäusern, wo er sich von flüchtigen Beobachtungen und Eindrücken zu seinen fragmentarischen Texten inspirieren ließ. Somit ist er in die Kaffeehausliteratur (das gibt es tatsächlich) einzuordnen, die bei ihm dem Impressionismus nahesteht.
Seine Texte wurden auch vertont, z.B. von Alban Berg, einem Schüler des Erfinders der Zwölftontechnik Arnold Schönberg.

Mittwoch, 19. September 2012

Der literarische Mittwoch - feat. Heinrich Heine

Heinrich Heine - Wo

Wo wird einst des Wandermüden
letzte Ruhestätte sein?
Unter Palmen in dem Süden?
Unter Linden an dem Rhein?

Werd' ich wo in einer Wüste
eingescharrt von fremder Hand?
Oder ruh' ich an der Küste
eines Meeres in dem Sand?

Immerhin mich wird umgeben
Gottes Himmel dort wie hier
und als Totenlampen schweben
nachts die Sterne über mir.



Nicht umsonst gilt Heinrich Heine als einer der wichtigsten deutschen Dichter des 19. Jahrhunderts - kaum ein anderer hielt so geschickt wie er die Balance zwischen romantischer Motivik und sprachlicher Leichtigkeit. Obiges Gedicht ist das perfekte Beispiel dafür: trotz klassisch romantischer Elemente wie Sehnsucht, Fernweh, oder Tod driftet es zu keinem Zeitpunkt in die zweifellos anspruchsvollere, aber auch manchmal schwülstig-schwelgerische Ausdrucksweise anderer Vertreter dieser literarischen Epoche ab. In gewisser Weise hat Heine die Romantik - zu diesem Zeitpunkt bereits in ihrer Endphase - perfektioniert bzw. auf die Spitze getrieben: ein Kennzeichen dieser ist bekanntlich die Anlehnung an Volkslieder - Heine hat sie sprachlich wieder näher an diesen Grundsatz gebracht. Mit einfacher Wortwahl erschuf er kraftvolle, beeindruckende Bilder fernab jeglichen Kitsches.
Das ist es, was große Lyriker ausmacht: formelhafte Plattitüden aneinanderreihen sieht zwar bisweilen auch hübsch aus, aber viel schwieriger ist es, die gleiche Wirkung mit klareren, weniger enigmatisch-mystifizierten Mitteln zu erzielen.
Das hat Heine ein ums andere Mal getan.